Stellungnahme des Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. (DCV)
zum Rundschreiben der BaFin 04/2016 (GW) – Videoidentifizierungsverfahren
Berlin, den 8.7.2016. Die BaFin hat im Juli dieses Jahres mit einem Rundschreiben für erhebliche Verunsicherung bei vielen Fintechs und Start-ups gesorgt. Der DCV gibt hiermit Entwarnung an (fast) allen Fronten und klärt die Verwirrung auf:
Zur Einordnung des BaFin-Schreibens:
Das genannte Schreiben betrifft den ureigenen Regelungsbereich der BaFin, sonst nichts. Dieser liegt unter anderem in der Beaufsichtigung von Kreditinstituten. Dem genannten Schreiben der BaFin ging eine Überarbeitung der Leitlinien zur Kontoeröffnung und Kundenidentifizierung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht voraus. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen, die international zu einheitlichen und hohen Standards in der Bankenaufsicht beitragen. „Die Überarbeitung der angesprochenen Leitlinien seitens des Basler Ausschusses ist der Grund für die Anhebung des geldwäscherechtlichen Sicherheitsmaßstabes“, so ein Pressesprecher der BaFin gegenüber dem DCV.
Es geht demnach nicht um eine weitere Regulierung von Startups oder Fintechs, jedenfalls insofern sie nicht mit Kontoeröffnungen befasst sind. Aber jetzt bitte nicht gleich mit dem Lesen aufhören.
Worum geht es in dem BaFin-Schreiben?
Das genannte Schreiben spezifiziert ausschließlich die Anforderungen an Finanzinstitute, die operativ an die Identifizierung des das Konto Eröffnenden bei einer Kontoeröffnung per Videoidentifizierung (im Folgenden Video-Ident-Verfahren genannt) gestellt werden.
Also: Es geht darum, wie und auf welche Weise das Video-Ident-Verfahren stattzufinden hat, damit es die bestehenden geldwäscherechtlichen Standards einhält. Ein Grundsatz der geldwäscherechtlichen Standards ist die „Identifizierung unter Anwesenden“ der das Konto eröffnenden Person. Diese kann auf die herkömmliche Weise „in the meat“, beispielsweise am Bankschalter, erfolgen oder auch per Postident, bei dem die das Konto eröffnende Person sich einer anderen ebenfalls anwesenden Person gegenüber identifiziert. Bei einem Verstoß gegen die geldwäscherechtlichen Regelungen bei der Kontoeröffnung ist das Finanzinstitut, welches das Konto eröffnet, grundsätzlich in der Haftung. Das Video-Ident-Verfahren ist ein innovatives und zeitgemäßes Verfahren, das die „Anwesenden“ auf beiden Seiten der Kontoeröffnung digital über Bild und Ton füreinander anwesend macht.
Das BaFin-Schreiben regelt nunmehr die Erfordernisse und das Vorgehen bei der Kontoeröffnung per Video-Ident-Verfahren und gibt damit Sicherheit, dass die gesetzlichen Anforderungen damit auch abschließend erfüllt sind. „Grundsätzlich ist dies nicht als Erschwernis, sondern als Sicherheitsgewinn einzustufen, wenn auch einzelne Finanzinstitute nach Kenntnis des DCV zunächst die Kontoeröffnung per Video-Ident-Verfahren vorübergehend aufgehoben haben, bis die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen sind“, so Christoph Sieciechowicz, Vorstand im DCV. „Wir rechnen jedoch in Kürze mit einem Business as usual mit angehobenen geldwäscherechtlichen Standards.“
Begriffsverwirrung als Grund der Unruhe.
Grund der Unruhe bei vielen Startups und Fintechs ist in den meisten Fällen nichts anderes als eine Begriffsverwirrung.
Die Gebrauchsworte „Konto“ und „Depot“, an denen sich die Sorge besonders von Fintechs festmacht, bedeuten im Vokabular der BaFin nicht das, was sie scheinbar für manche Startups bedeuten. Ein „Konto“ im Vokabular der BaFin ist das, worauf eine Person über Giralgeld verfügt – also das, was umgangssprachlich unter „Bankkonto“ verstanden wird. Es ist keineswegs das „Benutzerkonto“ gemeint, das ein Nutzer auf einer Plattform oder bei einem Fintech anlegt, um an dem Nutzungserlebnis teilhaben zu können.
Ein „Depot“ im Vokabular der BaFin ist regelhaft der ideelle Ort, an dem auf fremde Rechnung (nämlich des Kunden) beispielsweise Wertpapiere gehalten werden, in der Regel als Sondervermögen. Ein solches Depot entspricht keineswegs dem Begriff „Depot“, mit dem z. B. eine Crowdfunding-Plattform für jeden Einzelnen ihrer Nutzer die von ihm gezeichneten Nachrangdarlehen detailliert auflistet. Da es sich im Beispiel ausschließlich um erinnerungshalber aufgelistete Rechtsverhältnisse zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer handelt, die auch nicht verbrieft sind, hält die beispielhafte Crowdfunding-Plattform kein „Depot“ im Sinne der BaFin. Im Vokabular der BaFin würde es sich dabei wohl eher um eine „Gedächtnisstütze“ handeln, würde man sie fragen.
„Obwohl diese Unterscheidungen den meisten sofort eingeleuchtet haben, mussten wir in diesem Punkt erstaunlicherweise einige heiße Diskussionen führen“, so Christoph Sieciechowicz, Vorstand im DCV.
Auch ein Fintech, das Festgeld-Angebote vergleicht und in der rechtlichen Position eines Tippgebers oder Vermittlers arbeitet, ist nicht direkt betroffen. Betroffen ist vielmehr das Finanzinstitut, das solche Festgeldkonten anbietet und mit dem Video-Ident-Verfahren bei der Kontoeröffnung arbeitet. Das Finanzinstitut ist mit dem Schreiben der BaFin gehalten, seine Prozesse entsprechend anzupassen.
Da die meisten Finanzinstitute ohnehin das Video-Ident-Verfahren nicht selbst im Hause durchführen, sondern es von spezialisierten externen Dienstleistern erbringen lassen, liegt die Last der Umsetzung primär bei diesen Dienstleistern. „Die Gespräche, die wir an dieser Stelle geführt haben, lassen grundsätzlich keine wesentlichen Probleme erkennen“, so Dr. Michael Gebert, Vorstandsvorsitzender des DCV.
Was bleibt festzuhalten? Eine Bitte an die BaFin.
„Das Rundschreiben bezieht sich ausschließlich auf die Identitätsprüfung bei der Kontoeröffnung via Videoidentifikationsverfahren“, so der Sprecher der BaFin gegenüber dem DCV. Fintechs dürften wenn, dann nur mittelbar über ihre Partner unter den Finanzdienstleistungsinstituten betroffen sein. Die Last der Umsetzung des BaFin-Schreibens dürfte bei denjenigen spezialisierten Dienstleistern liegen, die das Video-Ident-Verfahren im Auftrag der Finanzdienstleistungsinstitute durchführen.
Wesentliche Folge ist die im Schreiben der BaFin geforderte Einführung einer Referenzüberweisung trotz Identifizierung. Dies bedeutet das von einem bestehenden Konto innerhalb der EU eine Überweisung auf das per Video-Ident-Verfahren eröffnete Konto stattfinden muss, um dessen Eröffnung zu vollenden. Damit würde ein per Video-Ident-Verfahren niemals das erste Konto sein können, das z. B. ein Digitalgeborerer, ein junger Mensch dem die Online Welt näher ist als vieles im Offline-Universum, als sein Erstlingskonto eröffnen könnte.
Dies ist nach Auffassung des DCV unsystematisch, weil dies das Vorgehen wie es zur Identifizierung unter Abwesenden nach § 6 Abs. 2Nr. 2 GwG ausnahmsweise gesetzlich vorgesehen ist, beschreibt. Diese Regelung widerspricht nach Auffassung des DCV der Gesetzessystematik, da es sich bei der Identifizierung im Video-Ident-Verfahren gerade um eine Identifizierung unter Anwesenden handelt, bei der eben kein erhöhtes Risiko besteht, wie das BaFin-Schreiben selbst in Ziffer I. Abs. 1 betont. Der DCV bittet die Regelungsbehörden in diesem Punkt um Nacharbeit.
Startups und Fintechs sind gehalten, sich mit dem Vokabular der BaFin auseinanderzusetzen, denn das genannte Schreiben wird nicht das letzte bleiben, das ihre Geschäftsmodelle streift.
Das Video-Ident-Verfahren muss erhalten bleiben.
Das Video-Ident-Verfahren, wie es bereits vor dem gegenständlichen BaFin-Schreiben Bestand hatte, hat sich bewährt und muss ansonsten erhalten bleiben. Es bietet Fintechs und Startups die die einfachste und am wenigsten fehleranfällige Form des know-your-custumer Verfahrens. Da nach Auskunft der BaFin lediglich die Kontoeröffnung vom gegenständlichen Schreiben betroffen ist, fassen wir dies auch als den Willen der BaFin auf und werden entsprechend auf die Regulierer gestaltend einwirken.